Mariella
Uns erreichte eine Nachricht, die uns aufhorchen ließ: Ein junges, gehbehindertes Rind stand angekettet auf einem Dorfplatz. Dieses Bild ließ bei allen, die davon erfuhren, Betroffenheit zurück. Also machten wir uns auf den Weg und sprachen mit dem Besitzer. Wir erfuhren, dass es sich um ein einjähriges Zwillingsmädchen handelt, das seit seiner Geburt mit einer Behinderung lebt. Der Besitzer, unterstützt von seiner Familie und einer Tierärztin, hatte das Tier von Hand aufgezogen. Er versuchte später, es in die Herde zu integrieren, doch nach einer Woche musste er aufgeben – die Integration gelang nicht. Stattdessen brachte er sie nun täglich auf eine kleine Wiese vor seinem Haus, wo sie stets im Blick war. Der weiche Boden tat ihrer Gehbehinderung gut, und sie konnte die Wiese genießen, auch wenn sie allein war und ein Zaun nicht möglich war. Abends wurde sie in den Stall zurückgebracht. Die junge Kuh (Färse) wuchs weiter, und die Tierärztin riet zur baldigen Schlachtung, da sie die Lebensqualität mit zunehmendem Gewicht gefährdet sah. Die Diagnose lautete auf chronische Arthritis vorne links und hinten rechts. Dem Besitzer schien keine andere Wahl zu bleiben, als die Schlachtung, die in drei Wochen stattfinden sollte, zu organisieren. Doch genau in diesem Moment kam eine Wanderin vorbei, die das Tier entdeckte und die Tierrettung Dresden informierte. So kam die Nachricht zu uns. Hier beginnt Mariellas Geschichte: Wir fragten den Besitzer, ob er seinem Tier eine Chance geben möchte. Er bejahte dies sofort und versprach seine Unterstützung. Für ihn stand nicht die Schlachtung im Vordergrund, sondern das Wohl seines Tieres. Wir nahmen Kontakt zur Tierklinik Leipzig auf und fragten, ob sie das Tier für eine genaue Diagnostik aufnehmen könnten. Die Klinik bietet durch ihre Ausstattung bessere Möglichkeiten, eine fundierte Prognose zu erstellen und gegebenenfalls passende Therapien zu finden. Da wir außerdem Erfahrung im Umgang mit behinderten Rindern haben, erschien uns diese Chance besonders wertvoll. Die Klinik stimmte zu und wir planten den Transport. Die kleine Kuh (Färse) erhielt bei der Abholung ihren Namen: MARIELLA. Mit Schmerzmitteln überstand sie den Transport gut und war sichtlich erstaunt über all das, was um sie herum geschah.
Mariella wurde in der Tierklinik erfolgreich operiert. Auch wenn sie ein Handicap-Tier bleiben wird, durfte sie nun endlich in eine Herde reisen, um frei laufend ihr Leben zu genießen. Sie lebte fast zwei Jahre allein und hatte Angst vor anderen Rindern. Doch Zwetzschge konnte sie mit seiner freundlichen Art abholen und ihr symbolisch die Klaue reichen. Schon in der Tierklinik lernten sie sich kennen – und übten schon einmal das Zusammenleben. Mariella genießt jetzt ihr neues Leben – denn nicht laufen zu können frustrierte sie sehr. Ihre Psyche litt stark, sodass sie sich über Tierpfleger:innen nicht mehr wirklich freute, sondern sich in ihre kleine, einsame Welt zurückzog. Die OP und ihre neue Freiheit veränderten alles. Ihr müsstet sie jetzt mal sehen: ein klarer Blick direkt in die Augen, der früher immer abgewendet war; freuen auf Leckerlies, dabei sein wollen in der Herde und es genießen, wenn ihre Freunde zu ihr kommen und sie ablecken. Sie genießt das wirklich sehr – und findet die saftigen Weiden einfach nur wunderbar. Ganz oft streicht ihr der Wind ins Gesicht, und sie schnuppert mit hocherhobener Nase diese neue, glückliche Welt ein. Happy End!
Mariella dankt ihren aktuellen Paten:
- Liane
- Nico Uhlemann